Hybridverstärker und Modeling-Amps

« Eine Alternative zu echtem Röhrensound? »

Röhrenverstärker gelten bei Gitarristen und Musik-Liebhabern als das Nonplusultra in Sachen Sound, Lebendigkeit und Dynamik. Mit dem Aufkommen der Transistor-Technik bekam die klassische Elektronenröhre aber ernstzunehmende Konkurrenz. Bis heute ist es eine viel und oft diskutierte Glaubensfrage, welche Verstärkertechnik denn nun die bessere Wahl ist. Neben dem gewöhnlichen Transistoramp treten auch Hybridverstärker und sogenannte Modeling-Amps an, um dem klassischen Röhrenverstärker den Rang abzulaufen. Was sich hinter den Amp-Modelern verbirgt und ob ein Hybridverstärker das Zeug zur Alternative zur Vollröhre hat, erläutern wir in diesem Artikel.   

Amp-Modeling, Hybridverstärker, Transistorverstärker – eine Übersicht

Um die Vorzüge und Nachteile einzelner Verstärkerbauformen und -techniken bewerten zu können, betrachten wir zunächst die unterschiedlichen Varianten des Gitarrenverstärkers, wie er heute angeboten wird. Besonders das Thema Amp-Modeling nimmt heute immer mehr Raum ein.

 

Verstärker Vorderseite - Verstärker Blende

 

Das Verfahren der digitalen Klangnachbildung

Unter der Begrifflichkeit Amp-Modeling versteht man das künstliche Nachahmen eines bestimmten Verstärkersounds mittels Software. Bei diesem Verfahren wird besonders auf die unterschiedlichen Klangcharakteristiken der programmierten Verstärker geachtet – moderne Systeme können aber auch Dynamik und Klangverhalten gut nachbilden. Bei diesem Verfahren kann man verschiedene Herangehensweisen unterscheiden:

Digitale Klangnachbildung mittels Software am PC

Durch die immer leistungsstärkeren Chips und Speicherleistungen moderner Computer wird es immer leichter, Amp-Modeling auch an normalen PCs und Laptops zu betreiben. Dabei wird eine spezielle Software verwendet, mit der es möglich sein soll, den Sound verschiedener Röhrenverstärkertypen zu simulieren. Besonders in Heimstudio – und anderen Aufnahmesituationen haben diese Modelingsysteme den Vorteil, dass außer PC, USB-Interface und Gitarre nichts weiter benötigt wird, um ansehnliche Gitarrensounds zu kreieren.

 

Junger Mann mit Gitarre am PC - Hybridverstärker und Modeling-Amps

 

Das Verfahren mit Amp-Modelern

Neben der Lösung mittels Standalone-Software wird Amp-Modeling heute vorrangig mit sogenannten Modeling-Amps betrieben. Die Herangehensweise bleibt dabei grundsätzlich gleich. Die Sounds unterschiedlicher Verstärkertypen werden durch Software imitiert und direkt über den angeschlossenen Verstärker wiedergegeben. Anders, als beim beschriebenen Verfahren am PC, werden beim Amp-Modeler Einstellungen zur Soundveränderung direkt am Verstärker vorgenommen – so entsteht das Gefühl, an einem “echten” Verstärker zu arbeiten.

 

Roland Micro Cube (Modeling Amp) und Ibanez Verstärker - Hybridverstärker und Modeling-Amps

 

Hybridverstärker – das Beste aus zwei Welten?

Hybridverstärker versuchen die Lücke zwischen Transistorverstärker und den Tube-Amplifiern zu schließen – die Kombination aus Röhren in der Vorstufe und transistorbetriebener Endstufe soll die klanglichen Charakteristika der Röhren mit der Langlebigkeit und dem großen Headroom der Transistorverstärker vereinen.

Wie klassische Gitarrenverstärker kreieren Hybridverstärker  ihren eigenen Sound über die Zusammenarbeit von Vorstufe und Endstufe. Um die Dynamik und Natürlichkeit der Tubes zu erreichen, werden die “klanggebenden” Elemente der Vorstufe durch Röhren angetrieben. So lassen sich satte Overdrives, wie sie für den Röhrenverstärkersound typisch sind, erreichen, ohne das gesamte System auf Tubes zu stützen. Im Gegensatz zur Vollröhre liefert die Endstufe beim Hybridverstärker den Output über eine Transistorverstärkung – mit den Vor- und Nachteilen eines Transistorverstärkers.

Hybrid (Röhren für die Vorstufe, Transistors für die Endstufe) Kopfhörer-Verstärker

Transistorverstärker – Solid State

Transistorverstärker hatten lange Zeit den Ruf, mechanisch, kalt und künstlich zu klingen. Mit immer weiterentwickelter Technik ließ sich dieses Defizit etwas abmildern. Auch wenn diese Modelle bauartbedingt nie die Dynamik und den Charakter eines Röhrenverstärkers erreichen werden. Transistorverstärker nutzen passive, elektronische Bauteile, um den Sound zur Übergabe an den Lautsprecher zu verstärken. Durch die sehr effektive Arbeitsweise verbrauchen Transistoren deutlich weniger Energie, sind leichter zu verarbeiten und weniger störanfällig als Röhren. Doch auch wenn der Sound der Transistoren immer besser wird – an authentischen Röhrensound werden sie wohl nie heranreichen!

 

 

Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Bauarten

Bei der Auswahl und dem Vergleich von unterschiedlichen Verstärker-Typen kommt es immer auch auf den gewünschten Einsatzzweck an. Wir stellen die Vor- und Nachteile von Transistorverstärker, Modeling-Amp, Hybridverstärker und Röhrenverstärker in der Übersicht vor.

Transistorverstärker – Pluspunkt: geringe Kosten

Auch wenn es dem überzeugten Röhrenfan schwer fällt, es zuzugeben: Auch Transistorverstärker haben ihre Vorteile. Besonders die günstigen Bauteile und die recht einfache technische Umsetzung macht es möglich, recht hochwertige Geräte zu einem weit günstigeren Preis anzubieten, als vergleichbare Verstärker mit Röhrentechnik. Die Solid-State-Bauweise hat gegenüber der Elektronenröhre noch zwei weitere Vorteile: Sie ist extrem robust und lässt sich durch mechanische Belastung kaum in die Knie zwingen. Außerdem verbrauchen Transistoramps deutlich weniger Energie, als klassische Röhrenverstärker. Besonders für Einsteiger eignen sich Transistoramps daher sehr gut – sie sind einfach zu bedienen und vergeben den ein oder anderen Fehltritt eher, als eine Röhre.

 

7 Transistoren

Transistoramp – Minuspunkt: determinierte Klangcharakteristik

Nachteilig ist bei Transistoramps aus unserer Sicht, dass der Sound des Transistors feststeht, nachdem das Gerät gebaut wurde. Soll heißen: Röhrenverstärker bieten die Möglichkeit, Klangcharakteristik und Spielverhalten durch den Wechsel der Tubes zu beeinflussen, Transistorverstärker können das nicht. Außerdem, und das ist in unseren Augen der größte Mangel, fehlt dem Transistor das Feeling, die Seele, der Charme. Zwar laufen die Verstärker gut, doch wir vermissen das haptische Feedback, die rot-glühenden Röhren und das Warme, Runde einer guten Röhre. Auch die Klangcharakteristik ist beim Transistor nicht derart ausgeglichen und rund, wie es bei den Tubes der Fall ist. Zwar klingen moderne Transistoren grundsätzlich “gut” – aber eben nicht genial!

 

Rocktron Rampage R120 DSP Gitarrenverstärker

 

Modeling-Amps – eine gute Wahl fürs Heimstudio

Modeling-Verstärker bieten im Grunde technisch dieselben Vor- und Nachteile wie Transistoramps, da sie in aller Regel auf Transistortechnik basieren. Die zahlreichen Möglichkeiten zur Klangmodulation, die Modeling-Verstärker bieten, erweisen sich allerdings als zu viel des Guten. Zwar lassen sich röhrenähnliche Sounds und Dynamiken einstellen, doch wirken die unzähligen Möglichkeiten mitunter unübersichtlich – mit dem Ergebnis, dass die Gitarristen mehr Zeit damit verbringen, ihren individuellen Sound zu suchen, als ihr Instrument zu spielen! Dasselbe gilt übrigens auch für das Amp-Modeling am PC! Jedoch bietet das Verfahren, wie bereits erwähnt, Vorteile für das Recording.

Junger Mann mit E-Gitarre am Laptop - Hybridverstärker und Modeling-Amps

 

So punktet der Hybridverstärker

Hybridamps gehen einen ganz eigenen Weg, was die Bauart angeht. Wie bereits ausgeführt, kombinieren diese Modelle Elektronenröhren, die in der Vorstufe verbaut sind, mit einem  Transistorformat, das in der Endstufe verwendet wird. Der Vorteil dieser Bauweise liegt auf der Hand: Die Vorstufe gilt mithin als “Soundfabrik” des Verstärkers. Hier arbeiten beim Hybridverstärker Röhren, mit all ihren klanggebenden Eigenschaften des echten Röhrensounds. Natürlich lassen sich diese Elektronenröhren auch austauschen, so lässt sich insgesamt der Klang des Verstärkers verändern. Die Wärme und Natürlichkeit der Verzerrung einer Vorstufenröhre wird kombiniert mit dem Headroom und der Leistungskraft einer modernen Transistorendstufe.

 

Nachteile der Hybridamps

Natürlich bietet die Kombination zweier Verstärkertypen auch Nachteile – im Prinzip vereinigt der Hybridverstärker sogar die bestehenden Nachteile der Systeme. Zunächst liefert die Endstufe einen Transistorsound der einer echten Röhrenendstufe nicht das Wasser reichen kann. Natürliche Endstufensättigung und Overdrive? Fehlanzeige! Trotzdem verfügt die Vorstufe über recht empfindliche Röhrentechnologie und ist, auf Grund der Bauart, eher empfindlich und teurer in der Herstellung.

Röhrenverstärker – immer noch unerreicht

Röhrenverstärker sind noch immer die absoluten Favoriten von versierten Gitarristen weltweit: Satter Klang, natürlicher Verzerrung in der Vorstufe, fetter Overdrive in der Endstufe und das Wissen, dass alles, was aus den Lautsprechern kommt, einen nachvollziehbaren, analogen Weg genommen hat. Elektronenröhren liefern, gerade im Bereich der Instrumentalverstärker, einen besseren Sound – das hat insbesondere mit dem so genannten Soft-Clipping des Röhrensound zu tun, dem Kern der Verzerrung. Durch die verschobenen Frequenzen der Obertöne liefern die Tubes eine für das menschliche Ohr interessanter klingende Verzerrung.

 

Offener Röhrenverstärker

 

Durch Röhrenwechsel lassen sich Röhrenverstärker zudem personalisieren und auf individuelle Vorlieben hin anpassen – sowohl in der Vorstufe als auch in der Endstufe. Für uns (und viele andere Musikbegeisterte) hat der Röhrensound zudem einen Vorteil, der über alle anderen erhaben ist: Feeling. Was gibt es Schöneres, als den vollen, spröden Röhrensound eines alten Röhrenamps bei hoher Lautstärke zu genießen? Zwar liefern Elektronenröhren einen höheren Output, als viele andere Verstärkertypen, dennoch können mit Power-Soak und Power-Attenuator oder niedrigen Wattzahlen auch wohnzimmertaugliche Lautstärken erreicht werden. Im Grunde können wir Tubes jedem empfehlen, der guten Sound mag. Die Wärme und Authentizität des Röhrensounds lassen die Nachteile der Technik, wie ein hohes Gewicht, den höheren Preis und die empfindlichere Technik, schnell vergessen.

TAD Silencer Power Attenuator

 

Röhre vs. Hybrid-Verstärker und Modeling-Amp – Fazit

Es dürfte keine Überraschung sein, dass wir den Klang und Charme der Röhrentechnik allen anderen Typen vorziehen. Dennoch ist klar, dass auch alle anderen Verstärkertypen und das Amp-Modeling ihre Daseinsberechtigung haben und Nischen besetzen. Doch diese Verstärkertypen stellen keine Alternative zur Röhre dar, wenn man selbst Anspruch auf ein authentisches Klangerlebnis hat.
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Bildquellen:
Beitragsbild: © princeoflove – stock.adobe.com
Röhren und Transistoren: © Devyatkin – stock.adobe.com
Mann mit E-Gitarre am Computer:© Barselona Dreams – stock.adobe.com
Einige Transistoren: © Aleshchenko – stock.adobe.com
Roland Micro Cube und Ibanez Verstärker: By Some guy, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12151545
Mann mit E-Gitarre und Laptop: © ronnarong – stock.adobe.com