« Tipps zur optimalen Einstellung »
Wie beeinflusst das Auf- oder Runterdrehen des Gainreglers den Klang? Was genau macht den Unterschied zum Einstellen des Volumes aus? Wir erklären, was technisch hinter dem Gain steckt und welchen Einfluss die Einstellung auf den Sound hat.
Was bedeutet Gain am Verstärker genau?
Um sich der optimalen Einstellung zu nähern, muss zunächst betrachtet werden, welche Funktion der Gainregler am Amp überhaupt übernimmt. Dazu hilft zunächst ein Blick auf die Funktionsweise des Röhrenverstärkers bzw. der klassischen Röhren: Das Signal der Eingangsquelle wird in der Vorstufe aufbereitet, an die Endstufe übergeben und dort auf einen Pegel angehoben, der von angeschlossenen Lautsprechern oder Boxen in akustische Schwingungen umgesetzt werden kann.
Während der Pegel der Endstufe lediglich die Lautstärke des Amp beeinflusst, kann der Gainregler sehr viel mehr: Der Regler beeinflusst den Pegel des Eingangssignals in der Vorstufe, noch bevor es auf die unterschiedlichen Verstärkerbauteile trifft. Dadurch wird zwar auch der Pegel, sprich die Lautstärke, des Verstärkers beeinflusst, was allerdings eher ein Nebeneffekt ist.
Welchen Einfluss hat der Gainregler auf den Klang?
Beherztes Drehen am Gain des Verstärkers beeinflusst zwar auch die Lautstärke, doch die eigentliche Aufgabe des Reglers ist eine andere: Durch die Erhöhung des Eingangspegels in der Vorstufe wird der Klang der Gitarre grundlegend verändert und im weiteren Verlauf der Signalverstärkung anders wiedergegeben. Durch die erhöhte Eingangslast werden die Vorstufe und die Vorstufenröhren sehr viel stärker belastet – die Röhren übersteuern und lassen das Signal verzerren. Der im englischsprachigen Raum verbreitete Begriff “Distortion” beschreibt dabei sehr gut, was mit dem Signal geschieht:
Die Elektronenröhren arbeiten nahe ihrer Lastgrenze und fügen dem Signal linear Obertöne hinzu – die typische Röhrenverzerrung tritt ein. Dabei ist das Signal in der Vorstufe jedoch noch nicht fertig bearbeitet und wird durch die Endstufe weiter angehoben. Das Ergebnis beim Einstellen: Ein aggressiver, durchdringender und sehr harter Zerrsound. Dabei lässt sich durch sparsamen Einsatz der Regelung auch ein weicherer, weniger aggressiver Klang erreichen – bei nur leicht angefeuerten Vorstufenröhren ist die Zerre sauberer, weniger dreckig und klingt etwas weicher.
Abgrenzung Gain- und Volumeregler
Gerade, wenn der Gain am Verstärker bei niedrigerem Pegel bewegt wird, ist ein deutlicher Zuwachs an Lautstärke zu verzeichnen. Dennoch bilden beide Funktionen des Röhrenverstärkers unterschiedliche Zwecke ab. Während der Gainregler, wie oben beschrieben, die Vorstufe anfeuert, hebt der Volume-Regler die Gesamtlautstärke des Systems an und belastet dadurch hauptsächlich die später in der internen Arbeitsreihenfolge des Amps arbeitende Endstufe.
Die klassischen Endstufenröhren sind dabei dafür verantwortlich, das Signal auf einen Pegel zu heben, der die Lautsprecher anregt, einen Ton zu produzieren – elektrische Signale werden in mechanische Bewegung umgesetzt. Natürlich kann auch ein aufgerissener Volume-Poti für eine amtliche Verzerrung sorgen – im Kontext mit Röhrenverstärkern spricht man bei der Endstufenverzerrung oder auch Endstufensättigung von Overdrive. Der Klang einer ausgefahrenen Endstufe ist dabei weicher und natürlicher, als es bei Distortion der Fall ist. Eher holzig im Klang erinnert Overdrive an die gut ausgelasteten EL34 Röhren in den Endstufen von Jimi Hendrix bei seinem legendären Woodstock Auftritt oder das Schaffen von Malcolm und Angus Young bei AC/DC.
Verstärker Gain einstellen – Beispiele
Röhrenverstärker gehören zu den leistungsstärksten und vor allem vielseitigsten Amps, die einem Gitarristen zur Verstärkung seines Instruments zur Verfügung stehen. Dabei kommt es neben den eingesetzten Effekten wie Reverb und Co. vor allem auch auf die Art der verwendeten Verzerrung an. Wir stellen drei Grundeinstellungen vor, die jeder Gitarrist einmal ausprobieren sollte.
Cleaner Grundsound mit Charakter
Natürlich kann ein glockenklarer Cleansound begeistern, stimmungsvoll ist aber vor allem das charakteristische, raue Voicing eines gut ausgepegelten Amps. Um diesen Klang zu erreichen, muss mit Bedacht und Fingerspitzengefühl vorgegangen werden. Vorstufe und Endstufe werden gleichermaßen angesteuert und geben dem Klang das gewisse Etwas. Ein Soundbeispiel für eine gelungene Kombination aus Vor- und Endstufensättigung am Minimum ist zum Beispiel der Song “Windowpane” der schwedischen Band Opeth: Mastermind und Gitarrist der Band, Mikael Akerfeldt versteht es, den Klang immer knapp unter der wahrnehmbaren Verzerrung zu belassen und dabei nicht die Struktur des Gain am Verstärker zu verlieren.
Britischer Rock-Sound
Fans von AC/DC, The Who und Co. aufgepasst: Zwar stammen nicht alle britisch klingenden Bands von der Insel, doch ihr Equipment hatte maßgeblichen Einfluss auf ihre Sounds. Die weit verbreiteten Amps aus den Häusern Marshall, Orange und Vox setzen bei der Endstufe oft auf die beliebte EL34 Röhre. Diese liefert eine besonders strukturierte, durchsetzungsstarke Endröhrenverzerrung. Der Klang dieser Röhren hat jedoch seinen Preis: Zum Erreichen einer echten, vollklingenden Endröhrenzerre sind sehr hohe Lautstärken erforderlich!
Moderner Distortion Sound
Was wäre Heavy Metal ohne den Sound einer gut übersteuerten Vorstufe? Metallica, Rammstein, Trivium und Co. verdanken ihren Klang vor allem dem gut eingesetzten Gainregler – natürlich unabhängig von halsbrecherischen Lautstärken! Besonders charakteristisch ist dabei der mittenbetonte, schneidende und durchdringende Klang, der auch bei besonders hohen Tempi nicht an Struktur oder dem oft zitierten “tightness” Effekt verliert.
Gain am Verstärker einstellen – das Fazit
Gainregler und Volumeregler werden von einigen Musiker (quasi) synonym verwendet. Die technischen Eigenheiten der beiden Einstellungen sind jedoch grundverschieden. Der Gain am Verstärker beeinflusst dabei vor allem die Vorstufe und lässt das Signal entsprechend “heiß” an die Endstufe weiterlaufen. Bei der Einstellung von Gain und Volume muss man dabei auf das passende Verhältnis der beiden Parameter achten – nur so erreicht man den gewünschten Sound. Wie immer sind hier Experimente eindeutig gewünscht, denn nur so kann die Suche nach “dem perfekten Sound” immer weiter gehen!
___________________________________________________________________________________________________________________________
Bildquellen:
Beitragsbild: © si evans – stock.adobe.com
Electric Guitar Amp: © CaptureMedia – stock.adobe.com
E-Gitarrist stellt Verstärker ein: © LIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com