Irgendwann kommt im Leben eines Röhrenverstärkers der Tag, an dem der erste Röhrenwechsel ansteht. Besonders neue Röhrenverstärker-Fans kommen dann mit den unterschiedlichsten Fakten und Begrifflichkeiten rund um die Elektronenröhre in Berührung. Mit der Auswahl des korrekten Röhrentyps und unterschiedlichen Klangeigenschaften sind Nutzer bereits viele Stunden mit Recherchen beschäftigt. Neben Einzelröhren werden gematchte Röhren und auch sogenannte Sets angeboten.
Technische Grundlagen, um das Matchen zu verstehen
Um den Nutzen von gematchten, also aufeinander abgestimmten Verstärkerröhren erklären zu können, muss man zunächst die technische Grundlage schaffen – wir versuchen, die komplexen technischen Zusammenhänge kurz und übersichtlich zu beschreiben.
Wichtig ist für den Anfang vor allem die Tatsache, dass Verstärkerröhren herstellungsbedingt gewissen elektrischen Toleranzen unterliegen. Um gleichartige, also Röhren mit elektrisch identischen Kenndaten – sogenannte gematchte Röhren – zu finden, unterwirft man diese einem speziellen Testverfahren und sortiert sie innerhalb vorgegebener Toleranzwerte in Gruppen.
Bias – Der Ruhestrom
Wenn von “gematchten Endstufenröhren” die Rede ist, wird in der Regel vor allem auf den sogenannten Ruhestrom abgezielt. Die im Englischen als Bias bezeichnete Größe beschreibt, welche Menge Strom durch die Verstärkerröhren geleitet wird, wenn der Verstärker nicht mit einem Nutzsignal angesteuert wird („Ruhe“). Diese Größe ist vor allem bei Endstufenröhren zu beachten, da Vorstufenröhren deutlich weniger anfällig für derartige Schwankungen sind und in der Regel einfach und unproblematisch ausgetauscht werden können. Obwohl Röhrenhersteller versuchen, ihre Vakuumröhren möglichst gleichartig zu bauen, kommt es bei analog arbeitenden Teilen wie Vakuumröhren zu Abweichungen. Diese Abweichungen können gerade beim Ruhestrom oder Bias gravierend sein.
Bias am Verstärker einstellen
Neben dem Matchen von Röhren ist es darüber hinaus wichtig, die Röhren an das Gesamtsystem anzupassen, was über die Biaseinstellung am Verstärker erreicht wird. Hierdurch wird der Strom, der durch die Verstärkerröhre fließt, genau eingestellt. Durch die korrekte Einstellung des Stroms wird erreicht, dass die Elektronenröhren direkt ansprechen und das Signal sauber übertragen. Ist der Ruhestrom nicht korrekt eingestellt, kommt es zu störenden Brummgeräuschen, verzerrter Soundausgabe oder anderen Störeinflüssen. Um diese Störfaktoren auszuschließen, arbeiten Amp-Hersteller mit unterschiedlichen Methoden, hier die zwei häufigsten:
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- Auto-Bias (Kathodenbias) stellt den korrekten Ruhestrom im Amp automatisch ein und lässt den Röhrenwechsel schnell und einfach von der Hand gehen.
- Fixed-Bias liegt bei Verstärkern vor, die eine manuelle Einstellung des Bias benötigen. Hier ist es wichtig, die korrekten Werte zu kennen und möglichst genau zu treffen, um einen guten, vollen und dennoch klaren Sound zu erreichen. Sind die Werte nicht bekannt, so muss die Bias mit Hilfe eines evtl. vorhandenen Trimmpotentiometers oder durch den Tausch von Festwiderständen im Netzteil angepasst werden.
Fixed-Bias beschreibt den regulären Betrieb beim typischen Class-AB-Push-Pull-Betrieb. Der Verstärker legt bei allen Vakuumröhren die gleiche Bias an und diese muss beim Röhrenwechsel festgelegt und eingestellt werden.
Verstärkungsgrad
Der Verstärkungsgrad bezeichnet das Verhalten der Vakuumröhren unter Last und beantwortet die Frage danach, wie sich die Röhre verhält, wenn der Verstärker gespielt wird. Ähnlich wie schon beim Ruhestrom, kommt es auch beim Verstärkungsgrad zu immensen Abweichungen. Einfach ausgedrückt bedeutet das: Die Elektronenröhren arbeiten unter Last unterschiedlich und kommen dadurch zu unterschiedlichen “Zeitpunkten” bzw. bei unterschiedlicher Leistung zur Sättigung. Passt der Verstärkungsgrad (auch Transconductance genannt) der einzelnen Endstufenröhren nicht zueinander, ergibt sich ein ungleichmäßiger, unausgewogener Klang – der Amp bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Wie werden Röhren gematcht?
Um Ruhestrom und Verstärkungsgrad aufeinander abzustimmen, muss man die Endstufenröhren einzeln testen. Dies geschieht auf unterschiedliche Weise – mit Vor- und Nachteilen:
Neu-Messungen
Bei der Messung der Werte per Messgerät schließt man fabrikneue Vakuumröhren an einen entsprechenden Sockel an und versorgt sie mit Strom . Hierbei werden die Röhren in konkreten Verstärkerschaltungen unter realen Bedingungen geprüft. Die gemessenen Widerstände bzw. Stromdurchgaben werden niedergeschrieben und die Endstufenröhren selektiert. Der Vorteil dieser Methode ist, dass sie schnell und kostengünstig erfolgen kann. Der Nachteil dieser Variante ist, dass sich Elektronenröhren im Laufe ihrer Lebenszeit ständig verändern und die gemessenen Werte besonders in den ersten 10-20 Betriebsstunden stark variieren können. Eine Messung an der nagelneuen Röhre ist demnach nicht so aussagekräftig, wie eine Messung an einer länger betriebenen Röhre.
Burn-In und Pre-Aging Messungen
Um auch nach längerer Betriebszeit keine großen Abweichungen in den Messergebnissen mehr zu haben, werden aufwendig gematchte Röhren “eingebrannt” oder vorgealtert. Hierbei sind die neuen Endstufenröhren zunächst einige Stunden lang in Betrieb und man misst sie erst nach einer gewissen Zeit. Durch den Einbrennprozess werden die Metallteile und Beschichtungen der Vakuumröhren ausgedehnt und auf “Betriebsfunktion” gebracht. Nach der Burn-In-Phase verändern sich die Werte des Ruhestroms und des Verstärkungsgrades nicht mehr erheblich und man kann die Vakuumröhren nun zu passenden Sets selektieren. Je nach Qualitätsanforderungen gibt es verschiedene Arten des Matchings:
NN-Matching:
Beim sogenannte NN-Matching, welches häufig von Herstellern (OEMs) verwendet wird, werden die Röhren nur nach Ruhestrom selektiert; der maximale Unterschied darf max. 2,9 mA betragen. Eine Messung der Steilheit (Transconductance) findet hier nicht statt. Das ist für viele Anwendungen ausreichend und preisgünstiger.
Premium RT Matching:
Hierbei wird der Ruhestrom der Röhren punktgenau gematcht und auch die Steilheit der Röhre gemessen. Darüberhinaus werden in diesem Zug weitere Kenndaten aufgezeichnet. Der Ruhestrom (PC) und die Steilheit (TC) sowie auch die Chargen und Sortiernummer werden sowohl auf die Verpackung wie auch auf die Röhre aufgebracht.
Vorteil gematchter Vakuumröhren
Nachdem wir dargestellt haben, wie man Vakuumröhren matcht und welche Faktoren man dabei aufeinander abstimmt, stellt sich noch die Frage, wo der Vorteil von gematchten Röhren liegt.
Schneller Röhrenwechsel bei Class-AB Verstärkern
Verstärkerröhren altern und man muss sie im Laufe der Lebenszeit eines Verstärkers mehrfach wechseln. Um die aufwendige Einstellung des Bias nicht bei jedem Röhrenwechsel durchführen zu müssen, kann man bei gematchten Vakuumröhren die aufgebrachten Kenndaten der alten und neuen Endstufenröhren miteinander vergleichen und die Tubes bei übereinstimmenden Werten einfach austauschen. Besonders bei sehr viel genutzten Amps ist das eine enorme Arbeitserleichterung!
Sound
Ruhestrom und Verstärkungsgrad haben einen großen Einfluss auf den Klang der jeweiligen Röhrengeräte. Sind die Vakuumröhren nicht aufeinander abgestimmt und der Ruhestrom nicht richtig eingemessen, kann sich der Klang des Verstärker nicht wie gewünscht entwickeln. Es kommt zu lautem Grundbrummen, verzerrten Soundwiedergaben oder zu anderen, störenden Klangeinflüssen. Gut aufeinander abgestimmte Elektronenröhren arbeiten sozusagen Hand-in-Hand und holen das Optimum aus dem jeweiligen Verstärker heraus. Der Tube Amp Doctor bietet passende Röhrensets für Amps von:
- TAD Amp Kits
- Ampeg
- Blackstar
- Bogner
- Diezel
- Engl
- Fairman
- Fender
- H&K
- Laney
- Marshall
- Mesa Boogie
- Orange
- Peavey
- Vox
Gematchte Röhren – Fazit
Elektronenröhren und Röhrengeräte altern und man muss sie irgendwann tauschen. Damit sie sich bestmöglich entfalten können, muss man den Verstärker den Röhren anpassen – die Einstellung des Ruhestroms oder Bias muss stimmen. Sind die Nennwerte der Vakuumröhren identisch, arbeiten sie ruhig und effektiv nebeneinander. Durch aufwendige Burn-In Prozesse werden die anfänglichen Schwankungen in den Messwerten ausgeglichen und eine aussagekräftige Selektierung erreicht. Kurzum: Gematchte Röhren klingen besser, arbeiten verlässlicher und wurden per Hand geprüft und selektiert – ein echtes Premiumprodukt!
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Bildquellen:
E-Gitarre lehnt an Verstärker: © Boris Bulychev – stock.adobe.com
Elektronische Röhren im Betrieb (leuchtend): © simone_n – stock.adobe.com
Elektronische Röhre wird ausgebaut: © kustvideo – stock.adobe.com