GE-Gitarre mit Verstärker - Digital-Verstärker

Röhrenverstärker vs Digital-Verstärker

« Eine Frage des guten Tons »

Guter Klang und Musik sind leidenschaftliche Themen und werden oft emotional diskutiert. Doch kaum ein Thema lässt die Gemüter so hochkochen, wie die Gegenüberstellung von unterschiedlichen Verstärkertechnologien. Kommt es bei der Frage Transistor vs. Röhre noch immer zu hitzigen Diskussionen, haben sich die Lager Röhrentechnik und Digitaltechnik bereits vor langer Zeit voneinander abgewandt. Dabei haben beide Techniken ihre Vor- und Nachteile und selbstverständlich ebenfalls eine Daseinsberechtigung in der bunten Welt der Musik. Wir haben diesen Konflikt zum Anlass genommen, einmal genauer auf die moderne Verstärkertechnik zu schauen, die landläufig unter der Bezeichnung Class-D oder Digital-Amp bekannt ist.

Class-D-Verstärker – was ist das eigentlich?

Noch immer gibt es viele Missverständnisse beim Thema Class-D-Amp. Um zwischen Vorzügen und Nachteilen der Technik unterscheiden zu können, beleuchten wir daher zunächst die technischen Grundlagen der Class-D-Verstärker. Doch keine Sorge – es wird nicht zu technisch-abstrakt!

Funktionsweise vom Class-D-Verstärker

Sehr häufig wird bei Class-D Geräten vom “Digital-Verstärker”, “Amps mit Digitaltechnik” oder “Digital-Amp” gesprochen. Leider ist diese Bezeichnung missverständlich und lässt zunächst falsche Rückschlüsse zu. Ein Amp der Klasse D ist kein rein digitales Gerät, sondern verlässt sich auf die Arbeit von Transistoren – die wiederum ja physikalische Arbeit leisten und demnach nicht digital im klassischen Sinne sind. Anders, als es herkömmliche Transistor-Amps im Class-A oder Class-A/B Betrieb tun, nutzen Klasse D Amps jedoch kein lineares Signal, sondern ein sogenanntes PWM-Signal um den Sound zu verstärken. Diese Pulsweitenmodulation ist die Übersetzung des analogen Eingangssignals (wellenförmig) in einen Schaltbetrieb an der Ausgangsstufe.

Bassgitarrenspieler mit kleinem Digital-Verstärker

Hier arbeitet, vereinfacht gesagt, ein Transistor: Dieser versteht die eintreffenden PWM-Signale nur als Aufforderung entweder “ein” oder “aus” geschaltet zu werden – und das in rasender Geschwindigkeit. In Verbindung mit einem Schaltnetzteil, welches nur dann Strom liefert, wenn er wirklich gebraucht wird und durch das ständige Ein- und Ausschalten der Ausgangsstufen, arbeiten die Klasse-D Verstärker sehr viel effizienter als klassische Verstärker der Klassen A oder B. Nachdem die Ausgangsstufe das PWM-Signal nun verstärkt hat, läuft es durch weitere Bauteile (Tiefpassfilter), um die ursprüngliche Audiowellenform zurückzuerhalten.

Bühnenlautsprecher, hängend

Es ist nur zu verständlich, dass diese Arbeitsweise Erinnerungen an die kalte, digitale Welt aus den Werten 1 und 0 weckt. Jedoch werden die Signale des Eingangssignals niemals in diese Werte umgewandelt. Vielmehr ist die PWM-Impulsfolge eine analoge “Ein-Aus-Übersetzung” des analogen, wellenförmigen Eingangssignals!

Junger Mann mit Gitarre sitzt am Laptop

Einsatzbereiche von Class-D Verstärkern

Class-D Verstärker oder Digital-Verstärker werden bereits seit langer Zeit und in vielen Bereichen eingesetzt, in denen es um eine möglichst effiziente und stromsparende Verstärkung geht. Typischerweise finden sich Digital-Verstärker in PAs und Beschallungsanlagen, Wattstarken Endstufen für Hifi Anwendungen oder auch in Gitarren- und Bassverstärkern.

Gerade im Studiobetrieb oder für Hifi Anwendungen lassen sich Class-D Amps hervorragend einsetzen, da sie mit ihrer kompakten Bauform und der geringen Abwärme auch in standardisierten Studioracks Platz finden.

Digital-Verstärker, Nahaufnahme Regler, Digitale Effekte

Vor- und Nachteile der Class-D Verstärker

Wie dargestellt, bieten Digital-Verstärker einige Vorteile gegenüber Verstärkern mit Röhren, die im Class-A oder Class-B Betrieb laufen, bringen jedoch auch Nachteile mit sich. Es folgt der kurze Überblick:

Vorteile

  • Sehr hohe Energieeffizienz (Wirkungsgrad von ca. 90% im Gegensatz zu ca. 60% bei Class-A/B)
  • Digital-Verstärker sind meist sehr klein
  • Sehr wenig Abwärme, kaum Erhitzung
  • Niedrige Ausgangsimpedanzen
  • Sehr gute Audiowiedergabe und Sound
  • Sehr niedrige Wartungsintensität

E-Gitarre lehne an Sofa, kleiner Amp steht daneben - kleiner Digital-Verstärker

Auf dem Papier steht der Digital-Verstärker also gut da – dennoch gibt es auch bei der Klasse D einige Nachteile:

Nachteile

Neben der, besonders von Musik-Puristen oft bemängelten, spartanischen Optik von Class-D Amps, gibt es auch auf der technischen Seite einige Nachteile der “Digital-Verstärker”:

  • Sehr aufwendige Bauweise
  • Je nach Schaltung Abweichungen in der Soundqualität
  • Komplizierte Reparatur
  • Weniger haptisches Feedback
  • Weniger dynamisches Verhalten im Sound

Röhrenverstärker vs Digital-Verstärker – Worauf es wirklich ankommt

Die modernere Technik, großartiger Sound, sparsamerer Betrieb und das alles in einem kompaktem Gehäuse – moderne Digital-Verstärker scheinen die Nase in beinahe allen Bereichen vorn zu haben. Wie kommt es dann, dass noch immer so viele Gitarristen auf den guten, alten Röhrenverstärker setzen? Besonders in zwei Kategorien haben Röhrenverstärker die Nase vorn – zumindest in unserer, subjektiven Wahrnehmung: Feeling und Sound.

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Das Röhrenfeeling

Allen objektiven Messdaten zum trotz lieben wir unsere Röhrenverstärker. Sie sind groß, sie sind schwer, sie werden heiß und manchmal sind sie trotzig wie kleine Kinder – und genau deswegen lieben wir sie. Ihr analoges Feeling kann bislang kein noch so gut emulierter Klang aus einem Prozessor ersetzen. Gerade die Unzuverlässigkeit und die schleichenden Veränderungen im Sound, die sich durch Alterungsprozesse und Umwelteinflüsse einschleichen, lassen den Verstärker mehr zu einem Instrument werden, denn zum technischen Equipment. Die zusätzliche Arbeit, die beim Röhrenwechsel, Einbrennen und Bias-Einstellen auf uns zukommt, fassen wir nicht als Belastung, sondern als Ausleben unseres Hobbys auf. Die vermeintlichen Unzulänglichkeiten im Klang oder in der Funktionalität sind vielmehr Charakteristiken als Fehler einer alten Technik.

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Und das Gefühl, einen alten, gut eingestellten Röhrenamp mit einem lauten “Klack” einzuschalten, die Wärme zu spüren und die glühenden Röhren zu sehen, ist einfach nicht zu ersetzen!

Der Röhrensound

Viel ist gesagt worden über den Klang von Röhrenamps und die angeblich unzulänglichen Klänge von Transistoramps. Dem widersprechen wir entschieden: Moderne, gut eingestellte und verdrahtete Transistoramps klingen wunderbar! Sie liefern klare Sounds mit gigantischem Headroom, beschallen mühelos riesige Hallen und lassen sich beinahe ohne Wartung tagelang bespielen. Und dennoch gibt es etwas, was uns immer wieder zur Röhre zurückkommen lässt: Die natürliche Dynamik, die besonders im Zusammenspiel mit Instrumenten zum Tragen kommt. Kleinste Variationen in der Schlaghand lassen die Röhren fein aufbrechen, transparent zerren oder warm und sanft singen. Die Obertöne, die in der Verzerrung einer Elektronenröhre vorkommen, lassen sie weich und “natürlich” wirken. Und das Wissen, dass das Signal vom Instrument durch den Röhrenverstärker bis zum Ohr als Welle verarbeitet wird, tut sein Übriges – Hören ist schließlich auch ein psychologischer Vorgang!

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Röhrenverstärker vs. Digital-Verstärker – Fazit

Bei der Frage Röhrenverstärker vs. Digital-Verstärker kommt es nicht auf klar umrissene Fakten an – es ist eine Entscheidung zwischen zwei Ansätzen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während die technischen Fortschritte der vergangenen Jahre zu einer genialen neuen Verstärkerklasse der Digital-Verstärker geführt hat, trumpft die Röhre noch immer auf, wenn es um Feeling und subjektives Soundempfinden geht.

Beide Varianten haben ihre Charakteristiken und schließen sich daher nicht gegenseitig aus, was den Wettkampf Röhrenverstärker vs Digital-Verstärker zu einer reinen Einstellungssache werden lässt. Beide Verstärkertypen besetzen ihre ganz eigene Nische. Geht es aber um den Klang und das psychologische Erleben von Musik, so ist unsere Meinung klar: Nichts reicht an die Röhre!

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Bildquellen:
Beitragsbild: © David Fuentes – stock.adobe.com
Mann mit Bassgitarre: © yuriygolub – stock.adobe.com
PA Lautsprecher: © makedonski2015 – stock.adobe.com
Verstärker, Regler, Nahaufnahme: © Andrew Barker – stock.adobe.com
Gitarre lehnt an Sofa: © Artem Bruk – stock.adobe.com