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Kaum ein modernes, musikalisches Genre ist so vielfältig und gleichzeitig so undurchdringlich und komplex wie der Jazz. Mit einer schier unüberblickbaren Anzahl an Spielarten, Subgenres und Differenzierungen wirkt es ambitioniert, einen Gitarrensound zu definieren, der für Jazzmusik typisch ist. Ebenso schwer wird es sein, auch nur zwei Jazz-Gitarristen zu finden, die dasselbe Equipment nutzen – Jazz Amp, Gitarre und Stil unterscheiden sich in kaum einem Genre so extrem voneinander. Dennoch erreichen uns immer wieder Fragen danach, was einen guten Jazz Amp ausmacht. Ohne diese Frage wirklich abschließend beantworten zu wollen, versuchen wir in unserem Artikel Charakteristika und Besonderheiten des Jazz Amps zu definieren und ein paar Tipps zur Auswahl eines geeigneten Verstärkers für Musiker zu bieten, die der Jazzmusik verfallen sind – oder es noch vor haben!
Jazzmusik – der Sound von Gitarre und Amp
Bereits beim Entstehen des Jazz in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts spielte die Gitarre eine große Rolle in der Instrumentalisierung der neuen Musikrichtung. Spätestens mit dem virtuosen Musiker und Gitarristen Django Reinhardt hatte die Gitarre ihre Bedeutung zementiert. Doch es sollte nicht lange dabei bleiben, dass Gitarren rein akustisch gespielt wurden – Röhre sei Dank! Mit der aufkommenden Popularität von E-Gitarren und deren (Röhren) Verstärkern entwickelten sich immer neue Sounds und Spieltechniken, die sich auch in der Jazzmusik niederschlugen. Neben spielerischem Können, Improvisation und Feeling spielt natürlich auch das Equipment eine Rolle. Wir betrachten Gitarren und Verstärker, die sich in der Jazzmusik tummeln, mal etwas näher.
Typische Gitarren für Jazzmusiker
Während zur Entstehungszeit des Jazz noch unverstärkte, akustische Gitarren die Oberhand hatten, brachte spätestens der Erfolg der Verstärker und Röhren eine schlagartige Veränderung in die Szene. Plötzlich wurden Semi-Hollow Gitarren angeboten, welche dank integriertem Tonabnehmersystem auch per Amp verstärkt werden konnten. Noch heute ist die Semi-Hollow Bauweise bei vielen Jazzgitarristen das Nonplusultra, auch wenn es durchaus auch viele Jazzer gibt, die auf Solidbody Gitarren setzen. Viele Firmen haben es sich zur Aufgabe gemacht, “die” Jazzgitarre zu entwickeln – wirklich erfolgreich war jedoch keines der Modelle. Zwar gibt es noch heute sehr beliebte Semi-Hollows (z.B. die ES-Serie von Gibson), die werden jedoch mindestens ebenso oft von Blues- und Countrygitarristen wie von Jazzern genutzt. Gitarren gibt es im Jazz-Universum also viele – wie sieht es mit den Verstärkern aus?
Jazz Amp – von Röhren und Sound in der Jazzmusik
Die Entstehungsgeschichte der Verstärkertechnik bedingt, dass zunächst röhrenbetriebene Verstärker genutzt wurden. Lange galt der Sound der Röhre als unumgänglich für moderne Jazzmusiker. Besonders die etwas leistungsärmeren Verstärker aus dem Hause Fender haben viele Jazzmusiker über lange Jahre geprägt. Bei der Entwicklung von reinen Jazzverstärkern hielten sich die großen Hersteller jedoch stets zurück. Ob das an der grundsätzlichen Experimentierfreude der Jazzer liegt (welcher Jazzmusiker will schon einen vorgefertigten Sound?) oder daran, dass die Gitarre in der Jazzmusik nur eine von vielen Rollen spielt, ist unbekannt. Es bleibt jedoch festzuhalten: “Den” Jazz-Amp gibt es nicht, auch wenn relativ neutral klingende Röhren wie der Fender Princeton oder Deluxe recht weit verbreitet sind.
Was muss ein guter Jazz Amp können?
So individuell die Sounds und Anforderungen von Jazzern an ihr Equipment (und ihren Amp) auch sind – bestimmte Grundvoraussetzungen müssen von einem Verstärker erfüllt werden, um als Jazz Amp zu gelten.
Klang
Guter Sound ist Pflicht – das gilt besonders bei Stilen, in denen Cleansounds der Gitarre eine große Rolle spielen. Während Jazzgitarristen zwar gern und ausführlich mit allerhand Effektpedalen experimentieren ist der Cleansound mit einer guten Prise Reverb das Fundament des Gitarrenklangs. Gitarrenverstärker, wie der Röhrenklassiker Fender Tweet Champ eignen sich mit ihrer natürlichen Sättigung daher besonders gut. Jazzgitarristen leben vor allem von ihren Soli – ein durchsetzungsstarker Sound ist daher unabdingbar.
Während im Rock und Metal Lautstärke und Booster für diese Durchsetzung sorgen, ist es in der Jazzmusik eine Mischung aus gut wahrnehmbaren Mitten und der sorgsamen Zurücknahme der anderen Instrumente. Gern wird der Gitarrenklang im Jazz als dumpf, mittig beschrieben – wer jedoch eine gewisse Zeit im Jazzregal des örtlichen Plattenladens verbracht hat, kann über eine solche, einfache Definition sicherlich nur lachen! “Den” Sound gibt es nicht, es ist alles erlaubt, was gefällt. Schließlich haben Gitarristen wie Scofield oder Holdsworth auch mit Mesa/Boogie Amps und Röhre Jazzgeschichte geschrieben…
Liveperformance
Jazzmusik lebt davon, in der Gruppe gespielt zu werden. Je mehr begabte Musiker zusammenkommen, desto besser. Die gegenseitige Improvisation macht schließlich den Geist der Stilrichtung aus. Daher kommt es bei der Auswahl des richtigen Jazz Amps vor allem auch auf eine gute Liveperformance an. Die richtige Mischung aus kompakter Bauweise für den Transport in den nächsten Jazzclub und Durchsetzungskraft für den Auftritt ist daher ein wichtiger Faktor. Hier kommen besonders kleinere und mittlere Combos zum Einsatz, gerade in Kombination mit Röhrenverstärkern! Fender liefert hier mit Combos der Princeton, Deluxe oder Deluxe Reverb Serie einige gute und vielversprechende Kandidaten.
Röhrenverstärker vs. Transistor
Bei der Frage nach der Verstärkerart scheiden sich die Geister – doch wo tun sie das im Jazzgenre nicht? Während Röhrenverstärker mit großer Musikalität und natürlichem Soundcharakter punkten, liefern Transistoramps einen meist größeren Headroom für Cleansounds. Hier ist sicherlich der persönliche Geschmack des jeweiligen Musikers und die gewünschte Spielrichtung ausschlaggebend. In unseren Ohren klingen die klassischen Sounds der Bebop, Hard Bop und Fusion noch immer am besten, wenn sie per Röhrenverstärker wiedergegeben werden. Moderne Stilrichtungen können dagegen oft durch “künstlichere” Sounds punkten und mit Transistoren gut bedient werden. Doch auch moderne Genres wie Smooth oder Electroswing profitieren mitunter vom Klang der Röhrenverstärker.
Der Jazz Amp – Fazit
Wenn Musiker per se Individualisten sind, spielen Jazzmusiker in einer ganz anderen Liga: Kaum ein Jazzequipment sieht aus wie das andere. Bassverstärker, Röhrenverstärker, Transistor oder Mesa/Boogie Amps: In der Szene findet man einfach alles. Umso schöner, dass wir auch hier alte Vertraute wiedersehen. Mit Klassikern wie dem Fender Princeton oder einem Deluxe kann man auch als Musiker in diesem individuellen Genre kaum etwas falsch machen. Wir freuen uns noch immer am Klang der Röhre und empfehlen allen angehenden Jazzgitarristen, sich einen neutralen, möglichst durchsetzungsstarken und gut klingenden Röhrenverstärker als Jazz Amp zu suchen, um den Weg in die Jazzwelt zu finden – danach sind alle Wege offen!
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Bildquellen:
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B.B. King: By Heinrich Klaffs – originally posted to Flickr as B.B. King 3011710058, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11883715